Stadt Kunst Bonn (1999) … Aurore Reinicke läßt quasi transparente Kirchenfenster in Parkhäusern und auf fahrenden U-Bahnen aufleuchten. Eine ästhetische Augenweide ist der von ihr ausgestaltete U-Bahn-Pavillon an der Uni … General Anzeiger, Christina zu Mecklenburg, Bonn 1999

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Deutsch:

Bonner Kulturmagazin "Schnüss" Juni, 1999

IN ALLER ÖFFENTLICHKEIT

STADTKUNST STATT MUSEUMSKUNST

ZEITGENÖSSISCHE KUNST IN ALLEN ECKEN. IM RAHMEN DES ZUM ZWEITEN MAL STATTFINDENDEN PROJEKTS STADTKUNST BEVÖLKERT DIE "SZENE" DIE INNENSTADT.

Zuweilen muß man zweimal hinschauen, um zwischen origineller Schaufensterdekoration und hoher Kunst zu unterscheiden. Denn der einfache Schaufensterbummel kann ein kulturelles Ereignis sein: Die Kunst verläßt vom 11. bis 27. Juni die Geborgenheit von Museen und Galerien, um die Innenstadt zu bevölkern. Zum zweiten Mal werden unter dem Titel "Stadtkunst" nicht nur Schaufenster, sondern insgesamt 30 bis 40 Orte innerhalb des City-Rings künstlerisch bespielt. Als Christian Overmans das Projekt im vorigen Jahr zum Leben erweckte, wollte sie mit Hilfe zeitgenössischer Künstler die Innenstadt in einen Erlebnisraum verwandeln. Der Erfolg gab der CDU-Politikerin recht, die den großen ehrenamtlichen Aufwand betont der zur Verwirklichung der Idee nötig war.

Auch in diesem Jahr beteiligen sich hochkarätige und bekannte Künstler. So finden sich Katharina Grosse und Annebarbe Kau auf der Teilnehmerliste. Aurore Reinicke bedeckt die künstlichen Leuchtkörper mehrerer U-Bahnschächte und Tiefgaragen mit bemalten, transparenten Folien. Auch der Glasüberbau zur Haltestelle "Universität-Markt" wird so zeitweilig in ein besseres Licht gerückt. Und die Bonner Kunstpreisträgerin ´98, Alice Musiol, installiert ein Bett aus Knäckebrot im Innenhof des "Deutschen Herold".

Realisiert wird "Stadtkunst" durch die Mithilfe der Bonner Kunstinstitute. Eine künstlerische Jury gibt es daher nicht. Die Künstler werden von den Bonner Kulturträgern, sowohl den Ausstellungshäusern als auch den etablierten Galerien, vorgeschlagen und vorgestellt. Mit von der Partie sind in diesem Jahr das Bonner Kunstnuseum, das FrauenMuseum, der Kunstverein, das Künstlerforum, die Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, die Galerie Anbau 35 sowie die Galerie Pentagramm. Viele der künstlerischen Vorschläge sind schon an konkrete Ortsvorstellungen gebunden. So widmet sich die Künstlergruppe "Gedok" im Kreuzgang des Münsters der vorchristlichen Geschichte Bonns. Auf dreizehn großen Stoffbahnen zwischen den Säulen setzen sich die Künstlerinnen mit dem Thema "Matronen" auseinander. Fehlt der passende Raum, so macht sich das ehrenamtliche Team um Christiane Overmans auf die Suche und vermittelt den Künstlern die passenden Orte. Häufig können sie auf die Erfahrung und Kontakte des letzten Jahres zurückgreifen.

Künstler, die aus eigener Initiative einen Ausstellungsort erschließen, wurden diesmal nicht mehr in das Programm aufgenommen. Es sei jedoch nicht nur der "Fall Eichner" gewesen, betont Christian Overmans, der diese Änderung nahelegte. Dieser hatte im vorigen Jahr eine private Vereinbarung mit dem Geschäftsführer von Bouvier getroffen und damit die "Bonner Künstlergruppe" aus den Schaufenstern des Hauses verdrängt. Das Problem liege vielmehr darin, daß in diesem jahr "Stadtkunst" schon bekannter sei und daher weitere freundschaftliche Vereinbarungen zwischen Ladenbesitzern und Künstlern zu erwarten seien.

Auch um die Qualität der Exponate zu sichern, wurden vor allem die Vorschläge der Kulturinstitute berücksichtigt, so Overmans weiter. Das Projekt hat dadurch Spielraum für Eigeninitiative verloren, der hohe Standard zahlt sich jedoch in anderer Weise aus. So finden dank des Bonner Kunstmuseums die Ausstellungsplakate bundesweite Verbreitung. Die "Stadtkunst" darf auf überregionale Bedeutung hoffen. "Dann", glaubt Christiane Overmans, "ist das Projekt in dieser Form wahrscheinlich einzigartig."

Wer sich einen Überblick über das dichte Netz der Ausstellungsorte verschaffen möchte, kann das Info-Büro auf dem Müllheimer Platz konsultieren. Der extra für diesen Anlaß errichtete Container ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, dort ist eine Programmübersicht erhältlich. Wem das Papier zu anonym ist, der kann sich den Überblicksführungen anschließen, die Samstags um 16 Uhr und Sonntags um 12 und um 16 Uhr stattfinden. Darüber hinaus veranstalten die einzelnen Institute Führungen zu den von ihnen vorgestellten Künstlern. Ob auch in diesem Jahr ein Katalog erscheinen wird, hängt davon ab, ob sich noch ein Sponsor finden läßt.

Kai Weller

 

 

Bonner General-Anzeiger, 11.6.1999

Leise Tropfgeräusche beim Shopping

STADTKUNST BONN 1999 Begegnungen der künstlerischen Art auf Straßen und Plätzen der Innenstadt: Zwischen Knäcke-Kunst und Schinken-Engel liegen Orte der Nachdenklichkeit

Von Christina zu Mecklenburg

Die Bonner Innenstadt entpuppt sich derzeit als Hochburg zeitgenössischer Kunst: StadtKunst Bonn 1999 hat Einzug gehalten. Über 85 Künstlerinnen und Künstler, zumeist bekannte Gesichter, sind mit von der Partie bei dieser ehrenamtlich getragenen Initiative, die im vergangenen Jahr Premiere feierte. Das kompakte Programm der insgesamt 39 Projekte innerhalb des City-Rings ist in einem Kurzführer zusammengefaßt. Dieser ist erhältlich im StadtKunst Bonn-Büro, alias Info-Container am Müllheimer Platz, täglich geöffnet von 10-18 Uhr. Bereits hier beginnt die erste Konfrontation mit der einwattierten Litfaßsäule, aus der leise Tropfgeräusche dringen, "Schnee", eine Klanginstallation von Annebarbe Kau. Das Notwendige - den fälligen Einkauf - mit dem Angenehmen - dem lockeren Schlendrian - verbinden: So lautet die Devise vom 11. bis zum 27. Juni. Ein umfangreiches Programm mit Gesprächsrunden, Vorträgen, Performances, Musik, Tanz und anderen künstlerischen Happenings begleitet das Festival für zeitgenössische Kunst.

Auf Einladung des Frauen Museums sind eigens Künstlerinnen der Galerie "Futura" aus Berlin; als Zeichen fraulicher Solidarität zwischen Berlin und Bonn und als Hinweis auf das Thema Hauptstadtwechsel wehen nun über die Sternstaße symbolträchtig gestaltete Fahnen. In geistiger Verwandschaft dazu ein "Fahnenbeet" der Bonner Gruppe "Semikolon", liebevoll gepflanzte Flaggen als Ausdruck der Hoffnung auf Fortbestand internationalen Flairs. Gesellschaftspolitische Aspekte kommen auch nicht zu kurz, so etwa in TinaWedels Installation "Arbeit" (gleich Arbeitslosigkeit) oder Ilse Wegmanns Hinterglasmalerei. Etwas spritziger und pfiffiger geht's andernorts zu. Da bietet Inge Broska in der Metzgerei Fußhöller "Schinken-Engel" feil. Der Atelierstipendiat Pierre Granoux vertritt die Meinung, man müsse StadtKunst life inszenieren. "Die Befreiung der Pinsel" nennt sich sein Dreiakter.

Alice Musiol, derzeitige Kunstpreisträgerin der Stadt Bonn, hinterfragt in ihrer Installation "scheinbar privat" mit einer deutlichen Prise Ironie die Doppelbödigkeit (siehe Bett aus Knäckebrotschichten) von Seßhaftigkeit und Sattheit. Ein Stück weiter im elegant-gediegenen Ambiente des "Deutschen Herold" versperrt die raffiniert verschachtelte Holzkonstruktion den frequentierten Geschäftseingang. Ernst-amüsante Variationen ergeben sich manchmal per Zufall: So wird das Münster einstweiliger Park-"Ort der Matronen", während Aurore Reinicke quasi transparente Kirchenfenster in Parkhäusern und auf fahrenden U-Bahnen aufleuchten läßt. Eine ästhetische Augenweide ist der von ihr ausgestaltete U-Bahn-Pavillon an der Uni. Die Künstlerin von "Zeitgenössische Kunst Michael Schneider" hält dazu noch 500 Unikate in Postkartengröße gratis bereit: am Samstag, ausschließlich in Markt-, Friedensplatz, Münsterplatz und Beethovengarage.

Die Konfrontation mit der Kunst hat bereits gestern ein erstes Opfer gefordert: Kunden von H & M war ein Beitrag der Videonale im Schaufenster zu hart: Der "pornographische Inhalt" wurde moniert. Das "Familienunternehmen", so ein Sprecher von H & M, schaltete ab. Mitveranstalter von "StadtKunst Bonn 1999" sprechen von Zensur.

 

Bonner Rundschau, 8.10.1999

Heidrun Wirth

Kunstpreis der Stadt Bonn 1999 - Ausstellung im Künstlerforum

Bilderflut und Konsumrausch

Bonn. "Einsame Spitze" ist Preisträger Michael Görnert (wie berichtet) mit seinem gelungenen Van-Eyck-Zitat in Video und Raummodell nicht. Auch die übrigen zwölf Künstler und Künstlerinnen, die von der Jury unter Vorsitz von Professor Dieter Ronte in die engere Wahl gezogen wurden, können sich - wie die gegenwärtige Ausstellung im Künstlerforum zeigt - durchaus sehen lassen.

Aurore Reinicke ist darunter, die bereits zur Stadtkunst die Tiefgaragen in der City verwandelt hat. Die 1960 geborene Künstlerin fotografiert die eigene Malerei, die auf lichtdurchlässiger Folie entstanden ist und verfremdet sie dann digital. Ihre Arbeiten waren 1998 in der Galerie Michael Schneider zu sehen. Auch Ilse Wegmann ist mit ihren "Hintermalungen" dabei, die sie zur Stadtkunst bei "Farben Mirgel" gezeigt hatte. Ihre milchige weiße, leise zustreichende Hinterglasmalerei regt zum bewussten Nachdenken über Bildflut und Konsumrausch an. Die bekannte Bonner Künstlerin hatte bereits 1992 ein Stipendium der Stadt Bonn erhalten. Auch die eben mit dem Hans-Thuar-Preis ausgezeichnete Stefanie Pech ist mit ihren (hyper-)naturalistischen Kraken wieder bis zur Spitze vorgerückt.

Auf die nicht mehr intakte Landschaft in den Rheinauen macht Carlotta Brunetti (Hans-Thuar-Preis 1989 und Stipendium der Stadt 1990) aufmerksam, die unlängst in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung ihr Riesennest ausgestellt hatte und bei der Naturkunst in der Stadtgärtnerei ihre "naturwüchsige" Kunst installierte.

Spannend sind die großen, mit Latexmilch überzogenen Nesselhäute von Gemma Priess, die in einer zweiteiligen Skulptur (aus einer sechsteiligen Reihe) die Innen- und die Außenseite der Dinge thematisieren.

Der chinesische Künstler Ren Rong fertigte einen kleinen Tempel als einen betretbaren Kubus, in dem die Außenwände aus säuberlich geklebten Fotografien bestehen und im Inneren ein Hocker mit Doppelgesicht steht. Er wil auf die Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft aufmerksam machen und hebt die Kontraste wieder auf unter dem Oberbegriff "Natur". Von leichtem (minimalistischen) Ungleichgewicht ist das Linienspiel von Norwin Leineweber, Meisterschüler von Günther Uecker, der bereits Gast der Bonner Gruppe konkret war.

Nicht nur Installationen, auch reine Malerei ist zu sehen wie die spurenreichen Bilder von Sascha Overath und die mit Abdrucken gefüllten Bilder von Heiner Blumenthal. Neopointillistisch geht Joachim Szymczak vor, der nobel gerahmte Bilder aus unzähligen monochromen pastosen Farbklecksen wachsen lässt. Für die Dauer der Ausstellung ist übrigens immer einer der Künstler und Künstlerinnen anwesend - und gesprächsbereit. Der Kunstpreis selbst wird zur Finissage am 24. Oktober um 17 Uhr im Künstlerforum vergeben.